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Channel: Erdogan – Schrottpresse
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Berühmte Zitate

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»Fröhliche Ostern!«

Jesus v. Nazareth

Noch eine kleine Anmerkung zum Thema Türkei:

An dieser Stelle stand dazu etwas länger nichts mehr. Das hat nicht mit Desinteresse zu tun. Eher mit einer geradezu perversen Lust am Vorhersehbaren. Und vorhersehbar kann auch etwas sein, was nicht mit dem grobmaschigen Raster »Wie bei Hitler!« erklärbar ist. Das klingt für den einen oder anderen vielleicht komisch – ist aber so.

Was ist eigentlich passiert?
Es gab einen inszenierten Putsch. Die reinste Schmierenkomödie, so unbegabt und dilettantisch in Szene gesetzt, daß man sich fragt, wie man vor den Medien der Welt damit überhaupt durchkommen kann. Ein paar völlig orientierungslose Soldaten, die sich widerstandslos festnehmen lassen, eine handvoll Panzer malerisch an strategisch unwichtigen Punkten geparkt (Zivil-Flughafen!) und ein Präsident Erdoğan, der mit lange im Vorfeld erstellten schwarzen Listen aus dem Urlaub in Istanbul eintrifft. Beginn des Putsches 22:05 Uhr, offizielles Ende 04:07 Uhr. Angebliche sechs Stunden Aufstand des weltweit putscherprobtesten Militärs seit ’45.

Es raucht noch in einigen Ecken, da beginnen bereits die »Säuberungen« in Verwaltung, Justiz, Militär, Presse und oppositionellen Parteien. Jetzt zeigt sich deutlich, wer da gegen wen putscht. Geadelt wird dieses Vorgehen weltweit durch »die Medien«, deren Interesse offensichtlich darin besteht, den »strategisch wichtigen Partner« bei Laune zu halten. Da vergisst man auch schnell die Anführungszeichen beim Wort Säuberung – da muß vorher etwas dreckig gewesen sein und nun schwingt eben jemand den Feudel! Flüchtlings-Auffangbecken, NATO und Wirtschaftsinteressen: Es gibt genügend Gründe, die Putschisten nicht allzusehr unter Druck zu setzen. Nicht einmal zu der naheliegenden Frage, wer tatsächlich hinter dem Aufstand gegen die türkische Republik steckt, reicht es. Die Erklärung des türkischen Präsidenten, sein ehemaliger Verbündeter Gülen habe das alles angezettelt, wird niemals ernsthaft hinterfragt. Es hätte auch das böse Krokodil sein können: Simplifizierte Gründe haben Konjunktur, egal ob der Feind IS, internationaler Terrorismus oder Islamismus heißt.

Dabei wäre die Frage nach den Drahtziehern durchaus interessant. Es gibt nur zwei Alternativen. Entweder der im Exil lebende Fethullah Gülen ist tatsächlich verantwortlich für den »Putsch« oder der nunmehr erfolgreiche Recep Erdoğan. Einen Alleingang des Militärs und seiner Generäle kann man getrost ausschließen; dagegen spricht der Dilettantismus und die vollkommene Planlosigkeit. Wie man einen Putsch erfolgreich in Szene setzt: Wer wüßte das besser als das türkische Militär?
Für die Beteiligung oder Urheberschaft Gülens gibt es nicht den Hauch eines Beweises, auch wenn der türkische Präsident wiederholt die Veröffentlichung »unwiderlegbarer Dokumente« ankündigte. Für Erdoğan ist der Exilant in den USA außerdem nützlicher als ein Schauprozeß im Kasperletheater, weshalb mittlerweile weder Erdogan noch die US-Regierung auf diesem Thema herumreiten. Ein Prozeß gegen Gülen würde genau diese Frage aufwerfen: Wenn Gülen nicht dafür verantwortlich war, wer ist es dann? Allein der Anschein des Zweifels könnte für Erdoğan gefährlicher sein als jeder innen- und außenpolitische Parforceritt, den er seit dem Putsch reitet.

Stichwort Parforceritt: Ausgerechnet das türkische Militär hastet seit dem angeblichen Putsch wieder glorreichen Zeiten entgegen. Ob im Krieg gegen das kurdische Volk (nunmehr befreit von Kinkerlitzchen wie der Genfer Konvention) oder dem fadenscheinigen Engagement gegen den islamischen Staat: Wer oder was wurde dort eigentlich »gesäubert«? Generäle, die nicht an einem osmanische Reich in den Grenzen von 1870 interessiert sind? Was wiederum zur Frage nach denjenigen führt, die ein fundamentales Interesse an genau diesem Putsch haben.

Wie es sich für eine Diktatur gehört, steht unter allem, was passiert der Name des Diktators. Das hat Tradition und fällt auch in historischen Betrachtungen nicht mehr weiter auf. Selten, daß die Namen der Handlanger genannt werden. Die eines Heydrichs, Eichmanns oder Keitels. Oder wenn wir schon bei Nazivergleichen sind: Eines Oetkers, Quandts, der Krupps, Hugo Boss oder Porsches. Die unvermeidlichen Profiteure und Handlanger, ohne die eine Diktatur kaum länger als eine Woche überleben würde.
Hätte es Interessenten gegeben, die bereit gewesen wären, Recep Tayyip Erdoğan wirtschaftlich das Wasser abzudrehen oder auf andere Art die Daumenschrauben anzulegen, wäre das ganze Unglück bereits Geschichte. Ganz gleich, ob im eigenen Land oder den für die Türkei unverzichtbaren Handelspartnern um Ausland. Auch die schlimmste Diktatur kann im 21. Jahrhundert nur mit Duldung von innen und außen existieren. Und jetzt steht sein Name unter dem Referendum für ein Präsidialsystem in der Türkei, welches Erdoğan faktisch unbegrenzte Macht verleiht, ihn zum Diktator auf Lebenszeit machen kann. Geduldeter und gewünschter Diktator, gegebenenfalls auch bis zu seinem Tod, eine immerhin variable Größe.

Das Referendum vom Ostersonntag: Eine reine Formsache. Wie das Ergebnis auch ausgefallen sein mag, ändert nichts daran, daß sich der zukünftige Alleinherrscher am Bosporus bereits vor dem amtlichen Endergebnis als Sieger erklärt. Betrachtet man das bisherige Vorgehen Erdoğans, gibt es keinen Zweifel daran, daß die Zahlern für ihn sprechen werden – ganz gleich, wie sie zustande gekommen sind. Nach den Aufräum- und Umbaumaßnahmen des vergangenen Dreivierteljahres von einer freien Wahl zu sprechen, verbietet sich ohnehin. Die Strukturen, unabhängige Instanzen, die das überprüfen könnten, gibt es nicht mehr, sowenig wie eine Justiz, die imstande wäre, das Referendum für gescheitert zu erklären oder nur Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit zu formulieren. Eine Atmosphäre der Angst mag das übrige tun.
Erdoğan kann die Türkei in Zukunft ohne parlamentarische oder juristische Kontrolle führen. Wie diese Herrschaft im Detail aussehen mag, verrät die Ankündigung des nächsten Referendums, dieses Mal über die Todesstrafe. Genauer: Es handelt sich dabei nicht um ein Referendum, sondern ist die Ankündigung einer Tatsache. Es wird dafür eine Mehrheit geben – irgend eine Mehrheit. Der neue Alleinherrscher kümmert sich nicht einmal um den Anschein von Legitimität.
Das braucht er auch nicht, wenn sich diejenigen, die diese Diktatur verhindern könnten, auf Plattitüden wie das drohende Ende der EU-Beitrittsverhandlungen, ein »belastetes Verhältnis« oder Ratschläge wie ein beherztes Zugehen auf die Opposition beschränken. Denn in einem Punkt hat Erdogan tatsächlich recht: Die EU ist eine verrottete Institution, unfähig zum Handeln. Das müßte seit Victor Orbán jedem klar sein. Das Äußerste an politischem Handeln wird sein, Erdoğans Todesstrafe mit dem Attribut »umstritten« zu verzieren.
Der Sultan und seine Profiteure werden es mit einem Schulterzucken quittieren.

Wie immer findet Rainer Balcerowiak von Genuss ist Notwehr deutliche Worte zum aktuellen Spektakel des Niedergangs.

 


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